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Menselblätter von Mülsen St. Jacob anno 1838

Teil 1

Teil 1

Teil 2 Rohzustand

Teil 2 o. Änd.

Teil 2

Teil 2

Teil 3

Teil 3

Teil 4

Teil 4

Teil 5

Teil 5

Im Heimatverein Mülsen St. Jacob e.V. hat sich das Vereinsmitglied Andreas Häcker bei der Erforschung der Ortsentwicklung auf das Gebiet historische Karten spezialisiert.

Bei meinen Forschungen wurde ich im Kreisarchiv Chemnitzer Land in Glauchau fündig und möchte mich auf diesem Wege bei dem Leiter Herrn Plänitz und seinen Mitarbeitern für die großzügige Unterstützung bedanken.

Viele ältere Karten bei Grundstücksveränderungen vor 1900 in unserer Region beziehen sich auf die sogenannten Menselblätter. Der Name "Mensel" kommt dabei vom zur Messung verwendeten Messtisch.

Diese Dokumente wurden in der späteren Zeit aktualisiert, überzeichnet und leider auch sehr strapaziert. Um den Erstzustand rekonstruieren zu können, war eine umfangreiche Restaurierung am Computer notwendig. Falls ein Leser dieser Zeilen noch Hinweise zu einigen Details machen kann, so bitte ich darum, diese Informationen über den Heimatverein Mülsen St. Jacob e.V. an mich heranzutragen. Ich bin für jeden Hinweis dankbar, hilft er doch die historische Entwicklung unseres Ortes sichtbar zu machen. Auf 5 Teilblättern von der Ortsgrenze Mülsen St. Micheln beginnend ist der gesamte Ort dargestellt.

Grundlage dieses Materials sind

die Grundsteuervermessungskarten Mülsen St. Jacob 1838

aus dem Kreisarchiv Chemnitzer Land in Glauchau.

Zuerst möchte ich den Originalkartensatz erläutern. Er besteht für Jacob aus 4 Teilkarten.

Blatt 1 : von Kreuzung ( B173 ) bis zur Nürnbergermühle

Blatt 2 : vom Friedhof bis zur Ortsgrenze Mülsen St. Niclas

Blatt 3 : von der Ortsgrenze Mülsen St. Micheln bis zur Kreuzung ( B173 )

Blatt 4 : das Freigut

Dabei handelt es sich um Kartenmaterial, welches im Zeitraum von 1835 - 1841 für ganz Sachsen zur Grundsteuervermessung erstellt wurde. Insgesamt sind 3516 Blätter hauptsächlich im damals üblichen Maßstab 15 Ruthen gleich 1 Dresdener Zoll ( 1 : 2730 ) nachgewiesen.

Die Gemeinden des Mülsengrundes wurden 1838 bis 1840 aufgenommen. Dabei wurde als Besonderheit für das Jacober Freigut ( heute Weiß, Ewald ) auf Grund der besonderen steuerlichen Stellung ein Extrablatt angefertigt. Diese Sonderstellung bekam nur das Freigut von Jacob. In den anderen Orten des Mülsengrundes erfolgte diese Sonderbehandlung nicht.

Diese Karten wurden beauftragt, um die überkommenen Abgabensysteme auf ein modernes Grundsteuerverfahren zu überführen. Durch diese Aufgabenstellung erklärlich, wurden auf den Karten die Grundstücksgrenzen sehr exakt wiedergegeben, leider aber andere Eigenheiten wie zum Beispiel die Lage und Ausmaße von Gebäuden in manchen Fällen nur oberflächlich eingetragen. Dies ist an einigen Bauerngütern und leider auch an der fehlenden bzw. falsch eingetragenen Kirche in Mülsen St. Jacob zu erkennen.

Nun zu kurzen Erläuterungen der Teilbilder.

Teil 1 zeigt den Bereich von der Ortsgrenze Micheln bis zur Kreuzung ( jetzt B173 ).

Die Dorfstraße war damals von Micheln kommend die heutige Nebenstraße mit einer großen Furt zwischen jetziger Blauhut- Fabrik und Geschenkeladen. Auf dem Gelände des Pennymarktes befanden sich 2 Fischteiche. Oberhalb dieser Teiche ist der Mühlgraben und der große Hammerteich der Hammermühle zu erkennen. Deutlich sind auch die vielen öffentlichen Wasserstellen am Bach dargestellt.

Teil 2 bringt den Teil von der Kreuzung ( Poststraße Zwickau - Chemnitz ) bis kurz vor der Apotheke.

Damit ein Eindruck von den umfangreichen Retuschearbeiten gewonnen werden kann, habe ich den gleichen Abschnitt im vorgefundenen Originalzustand mit dargestellt.

Hier ist zu erkennen, dass nachträglich Gebäude, Grundstücksänderungen und leider auch unqualifizierte Malarbeiten auf diesen Dokumenten eingetragen wurden. Zusätzlich ist durch Fehlstellen, Alterung und mechanischen Beanspruchungen die Qualität der Dokumente beeinträchtigt. Eine grafische Überarbeitung und vorsichtige Rückführung in den Zustand von 1838 ist nur mit Hilfe des Computers möglich.

Interessant an dem amtlichen Kartenmaterial ist auch die Vielzahl der Wasserflächen in unserem Tal. Dabei wurden auf den Karten nur die Teiche mit wirtschaftlicher Nutzung erfasst, so dass eine zusätzliche Anzahl von kleineren Teichen Tümpeln und Feuchtflächen nicht mit aufgeführt sind.

Diese Karten lassen auch das verwinkelte Netz der Gemeindestraßen und -wege erkennen. Die noch fehlenden Brücken und die Vielzahl der Wasserstellen und Furten am Bach zeigen, daß der Höhenunterschied zwischen Bach und Straßen nicht so groß wie heute sein konnte, denn die Furten wurden von schwer beladenen Pferdefuhrwerken befahren. Von Micheln kommend war augenscheinlich die heutige Nebenstraße bis zur Kreuzung die dominierende Dorfstraße.

Oberhalb der Kreuzung scheint sich bereits die heutige Hauptstraße auf Grund der besseren Straßenführung durchgesetzt zu haben.

Die alte Straßenführung der Poststraße zur Furt unterhalb des Feuerwehrplatzes wurde 1826 mit dem Brückenbau an der Kreuzung überflüssig. 12 Jahre später ist das Gelände bereits parzelliert und bebaut.

Teil 3 behandelt den Bereich Schnappmessergässchen ( heute Bachgasse ), Hammergarten und Jacobshöhe.

In diesem Teil unseres Ortes gibt es den sogenannten Hammergarten. Heute wird ein Weg und einige Häuser so benannt. Der Hammergarten ist ein Bereich, welcher früher steuerlich zum Freigut bzw. Hammergut gehörte. Auf der Grundsteuervermessungskarte ist dieser Bereich gelb eingerahmt und mit einem großen "A" bezeichnet. Über die Entstehungsgeschichte dieser Beziehungen sagt die Karte leider nichts aus. Eine weitere Besonderheit ist die Wegeführung des Schnappmessergässchens. Wie man erkennen kann, endete das Gässchen nicht an der Stelle der jetzigen Schulbrücke, sondern führte am Bach weiter abwärts. Vor dem Sachse- Max- Haus mündet die Gasse wieder in die Hauptstraße. Bereits 30 Jahre später hat das Schnappmessergässchen seine heutige Wegeführung. Der Besitzer des hier noch unbebauten Flurstückes Nr.88 hat mit der Gemeinde einen Flurtausch durchgeführt, um sein Grundstück besser bebauen zu können. Dadurch führt später der Weg von der Furt wie heute zur Hauptstraße und das Flurstück 88 reicht bis zum Bach. Die Apothekengasse endet scheinbar nach wenigen Metern schräg abgeschnitten. Hier endet lediglich der öffentliche Weg, der weiterführende Teil ist Privatland und wurde deshalb nicht aufgeführt. Diese Verfahrensweise zeigt sich bei vielen Bauerngutszufahrten ( z.B. Freigut ). Bei der Jacobshöhe konnte ich die Frage nicht klären, ob die eingezeichnete Bebauung bereits 1838 so weit erfolgt war. Falls hier jemand noch Informationen hat, wäre ich sehr dankbar. Interessant ist auch die Straßenführung und die Furten durch den Bach. Die Hauptstraße ist teilweise sehr schmal ( in den nächsten Jahren erfolgte eine umfangreiche Verbreiterung und Begradigung ). Die Nebenstraße ist aber noch verwinkelter und eng. Interessant ist ebenfalls die Furt beim jetzigen Weidhaasschlosser zur Bachgasse und am Ende der Bachgasse zurück zur Nebenstraße. Dadurch wurde vermutlich für Fuhrwerke der Berg an der Schule umgangen.

Teil 4 stellt den Bereich vom Olmichelsgut ( siehe Olmichelsage ) auf der Nebenstraße bis zum Friedhof vor. Auch die Grundsteuervermessungskarte dieses Ortsteiles birgt interessante Informationen. So ist zum Beispiel hinter der Nürnbergermühle ein Bereich in Richtung Lichtenstein gelb eingefasst und außerhalb des hier dargestellten Kartenabschnittes mit einem großen " B " bezeichnet. Diese Fläche gehörte steuermäßig wie der Hammergarten ( mit " A " bezeichnet ) zum Freigut. Über die im Dunkeln liegenden Gründe solcher Exklaven kann ich nur Vermutungen anstellen. Es ist möglich, dass bei der Aufteilung unseres Dorfes in Bauernlehen ( oder auch Hufen genannt ) durch Talbiegungen oder Messfehler solche Splitterflächen übrigblieben, welche sich der Lokator ( in unserem Dorf auf dem Freigut sitzend ) einverleibte.

Eine weitere Besonderheit dieses Abschnittes ist der Friedhof mit der falsch eingezeichneten Kirche. Unsere Kirche ist in Ost - West - Richtung ausgerichtet. Auch der Vorgängerbau hatte diese Ausrichtung, wie übrigens alle Kirchen im Mülsengrund. Auf dieser Karte ist die Kirche aber in Nord - Süd - Richtung eingezeichnet. Viele spätere Karten haben diesen Fehler vom Menselblatt einfach übernommen. Erst das Auffinden der vor Ort gezeichneten Urkarte bringt des Rätsels Lösung. Auf der Urkarte ist der Friedhof in seiner ovalen Form durch Messpunkte und Hilfslinien sehr exakt vermessen, aber kein Kirchengebäude eingezeichnet. Nun kommen Jahreszahlen ins Spiel. Die Urkarte wurde im Jahr 1838 aufgenommen. Unsere alte Kirche wurde nach Louis Junghans Angaben 1840 abgerissen und am 19.09.1842 die neue Kirche geweiht. Zur Zeit der Aufnahmemessungen war der Kirchenabriss wahrscheinlich schon beschlossene Sache und die Geometer haben deshalb das Gebäude nicht mit erfasst. In der Kartenwerkstatt wurde dann eben "eine" Kirche eingezeichnet.

Leider ist das Kartenmaterial dieses Ortsteils in einem schlechten Zustand gewesen, so dass durch Knickstellen und ähnliche Beeinträchtigungen viel Arbeit notwendig war, um eine verwertbare Karte zu erstellen.

Nun zum 5. Teil. Es ist nochmals der Friedhof mit der falsch eingezeichneten Kirche zu sehen. Südlich der Kirche und oberhalb des Härtelhauses ist eine Reihe von Teichen zu sehen. Von diesem Wasserreichtum ist heute nichts mehr vorhanden.

Interessant ist auch die Straßenführung von der Einnahme ( Colombstein ) kommend, über den Zennerberg und an der Eckart Marie vorbei, nach Callnberg führend. Dieser uralte Weg ist im Meilenblatt 1791 als Verbindungsstraße zwischen Zwickau und Lichtenstein gleichberechtigt mit der Poststraße ( B173 ) aufgeführt. Auf Grund des 1826 durchgeführten Ausbaus der Poststraße zur Chaussee sank die Verbindung über den Zennerberg in der Bedeutung zurück. Das Stück ab heutiger Webschule nach Callnberg ist im Menselblatt noch als wichtige Verbindungsstraße dokumentiert. In der Praxis wird es 1838 der gleich breite Feldweg wie heute gewesen sein. Oberhalb der Frankemühle ( früher Ackermannmühle ) ist ein Teil des Verbindungsweges von der Einnahme in Richtung Niclas mit Abzweig zum Bauerngut Sommer zu sehen.

Warum bei der Einmündung der Straße vom Zennerberg auf die Dorfstraße keine Furt in Richtung Callnberg ist, kann nur vermutet werden. Es liegt die Annahme nahe, dass der Rückstau vom Nürnbergermühlenwehr eine Furt erst etwas oberhalb ermöglichte.

Ansonsten sind auf diesem Blatt gut die Mühlgräben der Frankemühle und Nürnbergermühle zu erkennen. Die Dorfstraßenführung links und rechts vom Bach scheint gleichberechtigt zu sein mit zwei großen Furten oberhalb der Kirche und oberhalb des Zennerberges.

Damit ist die Vorstellung unseres Ortes im Jahre 1838 abgeschlossen. Ich hoffe, mit dieser Arbeit einige Aspekte der Ortsentwicklung aufgehellt zu haben und freue mich über jeden Hinweis.

Zum Abschluss habe ich eine Bitte an alle Leser dieser Zeilen. Bei meiner Recherche nach historischen Karten des Mülsengrundes im Kreisarchiv Glauchau habe ich die Grundsteuervermessungskarten von Stangendorf bis Niclas gefunden. Leider fehlt der gesamte Kartensatz von Thurm und Niedermülsen. Es sind auf Kartenleinwand gemalte farbige Federzeichnungen ca. 80 x 60 cm. Das gleiche Problem tritt bei den Planungskarten der Mülsengrundbahn von 1884 auf. Auch hier fehlen zufällig die Karten 10/11 ; 12/13 und 14/15, Thurm und den unteren Teil von Stangendorf betreffend. Diese Karten sind 6-teilig, auf A4 Größe gefaltete Leinewandkarten farbig. Seit der Entstehung dieser Karten gingen 2 Weltkriege verloren, die Novemberrevolution fand statt und unser Gebiet war längere Zeit von der Roten Armee besetzt. Das sind genug Gründe, um ein Verschwinden der Karten zu erklären. Ich bitte darum, wer Informationen über den Verbleib dieser Dokumente hat, möge sich doch mit mir ( Tel.: 037601 2363 ) oder dem Heimatverein Mülsen St. Jacob e.V. in Verbindung setzen. Wenn sich dadurch eine Möglichkeit ergebe, diese Karten einzuscannen, könnten sie der Allgemeinheit erhalten werden. Selbstverständlich biete ich bei diesem heiklen Thema volle Diskretion an.

Andreas Häcker 2000